Verborgene Stadt

Hauptstadtverbote

Diese traurige Anekdote entspricht auch einer traurigen Wahrheit. Zur Zeit des Kommunismus war Moskau im Grunde eine verborgene Stadt. Kein Sowjetbürger, der nicht in der Hauptstadt wohnte, durfte normalerweise nach Moskau kommen. Es war ein Tabu, und in den entfernteren Winkeln des Riesenreichs wußte man überhaupt nicht, wie es in Moskau aussieht. Nur in äußersten Ausnahmefällen konnte man einen Reisepaß und eine schriftliche Erlaubnis für eine Fahrt in die Hauptstadt bekommen. Meist waren es berufliche Gründe oder dringende Familienangelegenheiten, z. B. Beerdigungen. Damals entstand in Moskau auch eine weltweit einzigartige Regelung im Straßenverkehr. Die wichtigsten Hauptstraßen hatten fünf Fahrspuren. Die zwei linken und die zwei rechten Fahrspuren waren für das „normale Volk“, während die mittlere immer leer blieb. Dort durften nur Regierungslimousinen, Parteifunktionäre etc. fahren, vorzugsweise mit Lichthupe und stark überhöhter Geschwindigkeit. Wenn heute jemand ein großer Boss oder ein Millionär in Rußland ist, kauft er sich eine blaue Vignette und benutzt diese Spur dann auch. Präsident Putin hat große Probleme, den unkontrollierten Handel mit diesen Vignetten einzudämmen und die Sache in den Griff zu bekommen. Moskau hat etwas in sich, das dazu führt, daß viele Dinge dort zwar existieren, für die breite Öffentlichkeit aber trotzdem verborgen bleiben. Ein weiteres solches Kuriosum ist der äußere Ring rund um Moskau. Dort haben praktisch alle hohen Partei- und Regierungsfunktionäre ihre Datschas. Ausländische Besucher, die nach Moskau kamen, durften normalerweise die Stadt nicht verlassen und konnten nur mit Sondergenehmigung zu diesem Ring gelangen, wenn sie z. B. eine Einladung eines hohen Funktionärs hatten.

Spiel des Verborgenen

Ein „Spiel des Verborgenen“ hat Moskau eigentlich öfter in seiner Geschichte gespielt, so z. B. mit St. Petersburg. Neueste Forschungen datieren die Gründung der Stadt am Ufer der Moskwa auf die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts. Die erste urkundliche Erwähnung Moskaus stammt aus dem Jahre 1147. Ungefähr zu dieser Zeit entstand auch der Kreml. Von Anfang an wurde die Stadt radial rund um den Kreml angelegt. In unmittelbarer Nähe des Kreml beginnt der sogenannte Kitaj-Gorod, der älteste Teil der Innenstadt, der hauptsächlich von Händlern bewohnt war. Noch heute bildet dieses Areal das eigentliche Zentrum. Hier sind die wichtigsten Regierungsgebäude, Banken und großen Kaufhäuser angesiedelt. Im 14. und 15. Jahrhundert war Rußland von der „Goldenen Horde“ der Mongolen besetzt. In dieser unruhigen Zeit wurde Moskau mehrfach niedergebrannt und neu aufgebaut. Erst um 1480 wurde Moskau wieder Hauptstadt eines unabhängigen Rußland, übte diese Funktion aber für nur etwa 200 Jahre aus. Moskau bekam nämlich Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Anfang des 18. Jahrhunderts gründete Zar Peter der Große an der Mündung der Newa in die Ostsee die neue Hauptstadt St. Petersburg, wo von da an die Zaren bis zur Oktoberrevolution residierten. Moskau verlor dadurch seine Bedeutung, die es erst 1918 unter dem kommunistischen System zurückerhielt. Beide Städte, Moskau und St. Petersburg, sind durch das Element Wasser geprägt. Moskau durch den Fluß Moskwa, der sich teilweise mit mehreren Armen durch die Stadt schlängelt, St. Petersburg noch stärker durch seine Lage auf den trockengelegten Sümpfen der Newa. Geomantisch sind die einzelnen Teile beider Städte daher unterschiedlich zu bewerten. Doch generell ist St. Petersburg als Stadt ein energetisch negativer Kraftort, Moskau dagegen ein positiver. Dies ist nicht verwunderlich. St. Petersburg war von Anfang an als Machtzentrum für die Zarendynastie der Romanows angelegt, und damit war ihr Schicksal  bereits besiegelt. Von hier aus begann die Oktoberrevolution, auch wenn sie später auf Moskau und das ganze Land übergriff, und hier endete damit auch die jahrhundertelange Herrschaft der Romanows. Im Gegensatz dazu war Moskau niemals nur Stadt der Macht, sondern auch spirituelles Zentrum als „drittes Rom“ und Hauptsitz der orthodoxen Kirche. Außerdem hatte die Stadt trotz ihrer leidvollen Geschichte die Fähigkeit, immer wieder aus ihren Trümmern neu zu erstehen. Niemand war in der Lage, Moskau auf Dauer zu besetzen, wobei manchmal auch das Muster der „verborgenen Stadt“ wieder zur Anwendung kam. Als Napoleon seine Armeen auf Moskau marschieren ließ, befahl General Kutusow den Bürgern der Stadt, ihre Häuser niederzubrennen und die Stadt zu verlassen. Napoleon fand bei seinem Einmarsch eine leere Stadt vor, es gab dort keine Abgesandten von Adel und Regierung mehr, um ihm die Schlüssel zu übergeben. Schlimmer noch – es gab auch kaum wetterfeste Unterkünfte und keine Lebensmittel. Bevor der russische Winter anbrach, mußten die Franzosen die Geisterstadt wieder verlassen und wurden auf ihrem Rückzug von der russischen Armee vernichtend geschlagen. Im zweiten Weltkrieg scheiterte der Versuch der deutschen Wehrmacht, Moskau einzunehmen, genau so katastrophal. Lediglich einer vereinten Armee von Polen und Litauern war es Anfang des 17. Jahrhunderts gelungen, die Stadt eine Zeitlang besetzt zu halten. Diese Zeit der „Smuta“ steckt bis heute wie ein Stachel im Nationalbewußtsein der Russen, und so ist seit 1990 auch nicht mehr der Tag des Sieges über Nazideutschland (9. Mai), sondern der 12. Juni, der Jahrestag der Befreiung Moskaus von der Polenherrschaft, russischer Nationalfeiertag. Natürlich erstrahlt auch St. Petersburg heute wieder im Glanz seiner neuen – alten – Pracht und wirkt hauptsächlich anziehend auf das Geld der Welt. Wenn aber jemand die Absicht hätte, die Macht Rußlands zu schwächen, brauchte er nur die Hauptstadt wieder nach St. Petersburg zu verlagern.

Energieflüsse im Kreml

Verborgene StadtBeherrschend auch für das Stadtbild der modernen 12-Millionen-Metropole Moskau ist nach wie vor der Kreml (vermutlich nicht mehr lange – selbst er bekommt jetzt Konkurrenz!) Die Anlage liegt 40 Meter höher als die übrige Stadt und ist rundherum von einer bis zu 19 Meter hohen Mauer umgeben, die teilweise 6,5 Meter dick ist. Die Kremlmauer ist insgesamt 2235 m lang. Das gesamte Areal unter dem Kreml, also der unterirdische Teil, ist von einem Netzwerk von Tunneln durchzogen. Zum Teil ist der Kreml natürlich durch ein Tunnelsystem mit der Stadt verbunden, aber auch zwischen einzelnen Gebäuden innerhalb des Kreml gibt es unterirdische Verbindungen, die unterschiedliche Funktionen haben. Angeblich sind die kostbarsten und reichsten Schätze der Zarenfamilie unterirdisch gelagert und der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Energetisch betrachtet, bildet die Kremlmauer um den Kreml kein einheitliches System. Neben vier neutralen Plätzen (in der Abb. als „0“ eingezeichnet) bildet der nördliche Teil der Mauer eine negative Zone (), ebenso der südliche. Dagegen sind die westlichen und östlichen unteren Bereiche positiv (+). Im südlichen Teil der Anlage und in der Mitte finden wir hauptsächlich Kathedralen, den Patriarchenpalast und den Großen Kreml- Palast, die alle energetisch positiv sind. In der nördlichen, negativ ummauerten Zone dagegen haben einzelne Gebäude wie das Arsenal und das ehemalige Präsidiumsgebäude des Obersten Sowjets eine sehr stark negative Ausstrahlung. Was aber absolut überraschend ist – die dazwischen gelegene Residenz des Präsidenten der Russischen Föderation ist ein markant positiver Kraftort. Seine Ausstrahlung wird noch zusätzlich von der positiven Kraft des Obelisken für die Kremlkommandanten verstärkt. Direkt vor dem Fenster des Herrn Putin, auf der anderen Seite der Kremlmauer, finden wir allerdings das Lenin- Mausoleum, das man energetisch nur als schwarzes Loch bezeichnen kann. Wir wissen nicht, ob sich Präsident Putin mit Orten der Kraft auskennt. Auf jeden Fall kam er im vergangenen Winter auf eine absolut geniale Idee. Er ließ auf dem Roten Platz, direkt vor dem Lenin-Mausoleum, eine riesige Eisbahn anlegen, mit Lasershow, Musik, Tanz und allen Schikanen der modernen Unterhaltungselektronik. Aus der ganzen Welt kamen Menschen, um dort Schlittschuh zu laufen. Der Eintritt – 12-15 Dollar pro Nase – brachte der Staatskasse viel Geld, und alle genossen die exotische Matrix des Ortes. Wer kann schon von sich behaupten, seine Pirouetten direkt vor der Nase des einbalsamierten Lenin gedreht zu haben. Das hatten nicht einmal Irina Rodnina und Alexander Saizew geschafft. Auf jeden Fall konnte sich der große Genosse Lenin nun von den Energien der Touristen ernähren, anstatt den Herrn Präsidenten anzuzapfen. Allerdings war das auf Dauer keine Lösung – im nächsten Frühjahr schmolz das Eis, und der Zauber war dahin. Wenn man das Stadtbild Moskaus als Ganzes betrachtet, so fällt auf, daß die wichtigsten Straßen radial vom Kreml stadtauswärts führen, bis zum Gartenring, einem ersten, in der Innenstadt gelegenen Straßenring (am Ort einer ehemaligen Stadtbefestigung), der übrigens mit einem unterirdischen Ring der Moskauer Metro korrespondiert. Und damit kommen wir zu weiteren Geheimnissen der „verborgenen Stadt“.

Der „unterirdische Himmel“

Auf den ersten Blick klingt es ganz einfach: Jede große Stadt, die etwas auf sich hält, hat eine Metro, also eine Untergrundbahn. Solche Städte haben zwei Leben: Ein oberirdisches und ein unterirdisches. Was kaum jemand weiß: In Moskau gibt es darunter sogar noch Unter-Unterirdisches zu entdecken. In Rußland sagt man, daß alles zugrunde gehen kann, daß Feuer, Wasser und alle möglichen Kataklysmen wüten können, Revolutionen und Anarchie ausbrechen können – die Moskauer Metro wird weiter wie ein Schweizer Uhrwerk funktionieren. Die erste Linie wurde 1935 gebaut. Das gesamte Metronetz entstand in atemberaubendem Tempo. Der „Vater der Nationen“, Josef Stalin, hatte einen Befehl gegeben, und 70.000 Arbeiter, Komsomol-Aktivisten, Bergleute aus Donezk in der heutigen Ukraine und Ingenieure aus ganz Rußland schufteten wie die Sklaven, um das große Werk zum Ruhm des Sozialismus zu vollenden. Die Moskauer Metro ist weder die längste noch die älteste der Welt, aber mit Sicherheit bei weitem die imposanteste. Überall Marmor, Kristallüster, Gemälde, Skulpturen und sonstiger Prunk. Verglichen mit westlichen U-Bahnen, wo man seinen Weg bahnen muß durch Graffitis, weggeworfene Zigarettenschachteln, Kaugummis und anderen Unrat, sind die 300 Kilometer des Moskauer Metronetzes nicht nur sauber, sondern auf Hochglanz poliert. Aber alles, was wir bisher gesagt haben, gilt für die sogenannte Metro 1. Das meistgehütete Geheimnis der Moskauer U-Bahn ist, daß es noch eine Metro 2 gibt. Im Oktober 1941, während die deutsche Wehrmacht in Richtung Moskau marschierte, fand im Tunnel der U-Bahn-Station Majakowskaja eine feierliche Sitzung der Kommunistischen Partei der UdSSR statt. So beging man damals den Jahrestag der Großen Revolution. Rote Teppiche wurden ausgerollt, eine Tribüne wurde errichtet, und Stalin kam mit einer Extra-Bahnlinie zu diesem Treffen. Sie wurde eigens für ihn gebaut und glänzt bis heute mit einer selbst für Moskauer Verhältnisse ungewöhnlichen Pracht. Die erste Linie der Metro 2 war damals nur für die höchstrangigen Parteifunktionäre zugänglich. Sie waren es, die veranlaßten, den weiteren Ausbau der streng geheimen Linien zu forcieren. Die Hauptaufgabe dieser Geheimlinien war es, Verbindungen zu schaffen zwischen dem Kreml und den strategisch wichtigsten Objekten in Moskau und Umgebung. Hauptsächlich waren dies damals der Generalstab und ein Netz von Bunkern und Schutzräumen außerhalb der Stadt. Insgesamt besteht die Metro 2 heute aus vier Linien, von denen die längste 60 Kilometer mißt. Die geheimen Tunnel kann man nur nach 1 Uhr nachts benutzen, also zu Zeiten, zu denen normale Züge schon nicht mehr fahren. Alle vier Linien kreuzen sich unter dem Kreml und verlaufen unter den wichtigsten Objekten der Hauptstadt. Manche der Linien führen zu Orten sehr weit außerhalb der Stadt, direkt bis zu den Residenzen des Präsidenten. Sie haben auch Verbindung zu geheimen unterirdischen Städten, bestehend aus einem Netz von luxuriösen Bunkern, die im Fall eines Krieges für die Moskauer Elite vorgesehen sind. Jede dieser unterirdischen Bunkerstädte kann 15.000- 20.000 Personen aufnehmen. Im Gegensatz zur Metro 1 ist die Metro 2 sehr spartanisch ausgerüstet (mit Ausnahme der ersten „Stalin-Linie“), schlicht und grau und ohne überflüssigen Prunk. Die Strecken sind nur eingleisig. In den letzten Jahren wurde die Moskauer Metro auch zum Ziel terroristischer Anschläge. Tschetschenische Terroristen überfielen z. B. die Station Awtozawodskaja, nahmen 120 Menschen als Geiseln und töteten sie. Seit dieser Zeit empfinden die Menschen täglich in der Metro ein Gefühl latenter Bedrohung. Moskauer Zoologen, die das Verhalten von herrenlosen Hunden untersuchen, stellten fest, daß die Moskauer Hunde unglaublich gerne mit der Metro reisen und dabei bestimmte Linien bevorzugen. Diese Hunde sind ein fester Bestandteil des unterirdischen Lebens von Moskau. Sie sind wohlgenährt, weil sie von den Besitzern der Moskauer Würstchenbuden sozusagen „Schutzgeld erpressen“. Kürzlich entschied man, auf einer der Metro-1-Stationen das „Denkmal des unbekannten Köters“ zu errichten. Doch der wichtigste Bestandteil des unter-unterirdischen Lebens von Moskau ist und bleibt die geheime Metro 2, und es ist auch heute noch unglaublich schwer, an verläßliche Informationen über diesen geheimsten Teil der russischen Hauptstadt heranzukommen. Selbst vor der Nase des Bürgermeisters von London, der als offizieller Staatsgast die Moskauer Metro 1 besichtigte, wurde die Metro 2 verborgen. Inzwischen gibt es übrigens Pläne, in Moskau eine komplette unterirdische Stadt zu bauen. Ausgehend vom bereits existierenden unterirdischen Einkaufszentrum „Ochotny Rjad“ ist geplant, den Manegeplatz nahe des Kreml und angrenzende Straßenzüge komplett zu untertunneln. Die unterirdische Stadt soll sich bis zu den Grenzen des Moskauer Gartenringes erstrecken. Als Vorlage soll Paris gedient haben, wo es, wie wir wissen, bereits seit dem Mittelalter ausgedehnte Katakomben gibt.

Moskauer Manhattan

Das neueste Geheimnis Moskaus ist ganz offen. Die berühmtesten Architekten der Welt wie Sir Norman Foster, Peter Schweger oder Frank Williams realisieren derzeit in Moskau ihre mutigsten und exotischsten Projekte – das Moskauer Manhattan. Die neue Moskauer City soll mit ihrer Pracht und ihrem Luxus alle Metropolen der Welt ausstechen. Grigorij Lochanow vom Moskauer Institut für Architektur sagt: „Nach ein paar Jahren wird man unsere Stadt nicht mehr mit dem Kreml, dem Roten Platz oder dem Lenin-Mausoleum assoziieren. Unsere Visitenkarte werden die höchsten und modernsten Gebäude bilden, die die neue Ära der Ölprosperität Rußlands repräsentieren.“ Die Passanten auf Moskaus Straßen äußern sich dazu unterschiedlich: „Das ist eine Schande für Rußland – und für unsere Hauptstadt.“ „Unsere neue City wird der Welt die Größe Rußlands zeigen.“

 

Quelle: Matrix 3000